Altes Ägypten
Die für mich faszinierenste Hochkultur
Zug und Flug. Wie immer ist mittlerweile darauf Verlass, dass die Deutsche Bahn nicht zuverlässig ist, deshalb startet selbst ein Frankfurter um 11:30 Uhr in Richtung Flughafen, um den Flieger um 15:00 Uhr zu bekommen. Die Vorbereitung auf eine Reise hatte noch nie so kurzfristig stattgefunden und erkältet war ich zudem. Stephan, einer meiner besten Freunde, begleitete mich auf dieser Reise und ihm ging es ähnlich. “Pünktlich” um 13:38 Uhr waren wir dann auch am Flughafen. Egyptair überraschte uns, da sie uns unüblicherweise ein tolles Essen für eine so kurze Flugzeit boten.
In Cairo um 20:00 Uhr angekommen, ging es durch den dicht hupenden nächtlichen Stadtverkehr zum Grand Nile Resort. Dieses bot sehr viel Luxus und schien bereits einen Großteil des Reisepreises gekostet zu haben, war aber definitiv sein Geld wert. Der erste Blick auf den nächtlich- angestrahlten Nil ließ die im letzten Herbst wiedererweckte Vorfreude auf das alte Ägypten höher schnellen.
Tag 2
Obwohl der Tag gestern erst um Mitternacht endete, ging es heute zehn Minuten vor 06:00 Uhr aus den Federn und schnurstracks zum Frühstück. Um 07:00 Uhr fuhr der Bus in Richtung Pyramiden von Gizeh. Mir kribbelte es schon sehr in den Fingern, diese Kolosse zum ersten Mal zu sehen und so war die Müdigkeit gleich verflogen. Und plötzlich erhoben sie sich vor mir auf dem Gizehplateu riesig- steinerne Pyramiden! Es war kaum vorstellbar, diese letzten antiken Weltwunder in perfekt leicht versetzter Reihe vor mir zu sehen und ich mag mir gerne vorstellen, wie sie mit komplett intakter polierter Verkleidung ausgesehen haben mochten. Obwohl nur die Cheopspyramide den Titel Weltwunder trägt, haben sie allesamt diese Bezeichnung verdient. Nachdem wir diese mit unserem Guide umrundet hatten, nutzten wir unsere Freizeit, um auf eigene Faust das Plateau zu erkunden, bevor es weiter Tal abwärts in Richtung Sphinx ging.
Nachdem wir diese Highlights bestaunt hatten, wurden wir zur Erfrischung und Erleichterung in eine Parfumfabrik geführt. Dort wurden uns bei einer Tasse Tee oder Mokka natürliche Extrakte als Parfum und Heilmittel zum Kauf angeboten. Nach dieser informativen Veranstaltung, die einen leichten Hauch von Verkaufsshow hatte, fuhren wir zurück in Richtung Innenstadt, um das alte ägyptische Museum in Kairo zu besuchen.
Eben dieses war für mich eine einzige große Spielwiese. Ich erkannte viele Ausstellungsstücke aus den Büchern und Dokumentationen wieder, die ich als Kind geradezu verschlungen hatte. Nun konnte ich sie live erleben! Um bis zum Museumsschluss bleiben zu können, verzichtete ich auf den anschließenden Basarbesuch, was sich den Berichten meiner Mitreisenden zufolge als weise Entscheidung erwies. Ich blieb bis die Museumswärter mich und die letzten Besucher hinausbegleiteten.
Da die Gruppe sich auf dem Basar befand, musste ich zum Hotel zurücklaufen, da ich nicht von einem Taxi abgezogen oder an irgendeiner anderen Ecke ankommen wollte. Unser Reiseführer Ali meinte, das wäre kein Problem und nur fünf Minuten zu Fuß. Der Fußweg dauerte aber - anstatt der angekündigten fünf Minuten - satte 25 Minuten. Ich beschreibe es mal als abenteuerlich, sich in Cairo - anhand der Skyline und des Nils zu orinetieren - und nicht zu wissen, ob man an der nächsten Biegung seine Wertsachen verliert. Im Hotel angekommen konnte ich von unserem Zimmer aus die Pyramiden am Horizont erblicken, bevor die Sonne unterging. Danach ließen wir im Hotel im ansässigen Restaurant den Abend ausklingen und lernten die ersten Mitreisenden näher kennen.
Tag 3
Am Morgen fuhren wir um 08:00 Uhr in das alte Memphis. Dort wurden bereits im 19. Jahrhundert auf einer Grünfläche die Ausgrabungsstücke der Umgebung zusammengetragen - heute ist dieses Areal eine Art Freiluftmuseum. Dort sahen wir die 13m große Kolossstatue Ramses des Großen und seine zugehörige Sphinx.
Von dort aus fuhren wir weiter an das andere Nilufer zur ersten Pyramide des alten Ägyptens - die Stufenpyramide des Dyoser - erbaut durch Architekt Imhotep. Unweit dieser befand sich die stark verfallene Pyramide des Unas. Dessen von innen bemalte und dafür berühmte Grabkammer konnte nur über einen schmalen Schacht besichtigt werden. Beim Betreten fühlte man sich wie ein echter Entdecker. Im Umkreis der Unas Pyramide befinden sich noch zahlreiche Gräber der Adligen und Priester. Diese wie Flachdachhäuser erbauten Grabstätten nennt man Mastaba. Zuvor war diese Grabbauform die Art, Könige und Adelige zu bestatten. Zehn Tage zuvor waren erst neue Gräber entdeckt worden, die wir also als eine der Ersten überhaupt betrachten konnten. Von dem Plateu aus, auf welchem wir uns befanden, konnten wir in Richtung Süden die Pyramide von Daschur und die rote Pyramide von Weitem sehen. In Richtung Norden thronten die Pyramiden von Gizeh. Allesamt stehen sie auf der westlichen Seite des Nils, welche hauptsächlich aus eben diesem Wüstenplateu besteht und deshalb die tote Seite genannt wird. Eben aus diesem Grund,galt diese Seite des Nils als Reich der Toten. An der Kante des Plateus hatte sich der Nil in den Boden gegraben und bildet die Lebensader Ägyptens. Die östliche Seite hingegen ist eine grüne Ebene, auf welcher heute noch die Ägypter leben - eben das Reich des Lebens. Auf dem Rückweg nach Cairo speisten wir mit Blick auf das Gizeh Plateau in einem Restaurant. Danach erwartete uns das Hotel, um am Abend den Flieger Richtung Luxor betreten zu können.
Spätabends in Luxor angekommen betrat der Kommissar, wie mich meine Mitreisenden mittlerweile alá Agatha Christi nannten, das Kreuzfahrtschiff. Erschöpft durch die noch leicht vorhandene Erkältung und die wenigen Schlafstunden, aber dennoch glücklich, ließ ich mich in unserem Zimmer auf das Bett fallen.
Tag 4
Das nächste Highlight stand um 08:00 Uhr bevor, wir fuhren mit kleinen weißen Bussen zum Tal der Könige. Ich war gespannt, wie prächtig die Gräber des mittleren Reiches in echt aussehen mögen und ob deren Eindruck mit den Gräbern des alten Reiches mithalten konnten. Natürlich mussten wir uns zuvor noch durch eine Basarpassage pressen, ein Kommentar hierzu vielleicht nochmal an anderer Stelle.
Das Tal der Könige war trotz der Massen an Touristen beeindruckend. So karg und schlicht wie die Umgebung scheint, umso prächtiger sind die Gräber in den Fels gehauen worden. Es war einfach unbeschreiblich schön! Nach dem Tal der Könige ging es zum Tempel der Hapschesut, ein paar Meter weiter auf der anderen Bergseite vom Tal der Könige. Dieser Tempel, der Hator und Anubis gewidmet ist, ist in drei Stufen vor dem Felsmassiv erbaut worden. Neben dem prachtvollen Anblick des Tempels ist sein größtes Geheimnis sein 300m langer Tunnel, welcher direkt in das Grab der Hapschesut in das Tal der Könige führt. Hapschesut war die einzige Pharaonin Ägyptens und die einzige Frau, der eine Bestattung im Tal gestattet wurde. Der Tunnel und das Grab dürfen leider nicht betreten werden. Die Anlage muss neben einen Shinxgang vom Nil aus, auch über wunderschöne Gärten mit Bewässerung verfügt haben. Es soll sogar einen Tunnel gegeben haben, der unterirdisch unter dem Nil zum anderen Ufer führte. Dies wäre ein kompletter Prozessionsweg, von den Lebenden bis zur letzten Ruhestätte ins Reich der Toten gewesen. Als Tagesabschluss verbrachten wir die Zeit am Oberdeck und genossen den Sonnenuntergang von hier aus.
Tag 5
Der Erkundungstag begann mit dem Edfu Tempel, für viele ist seine Bauweise sicher aus den Anfangsszenen von “Die Mumie” bekannt. Der Tempel wurde allerdings erst zur Zeit der griechischen Könige erbaut. Er war in seiner Pracht nach wie vor den ägyptischen Göttern gewidmet, da die Griechen Gefallen an der Religion der Ägypter fanden und sich bei ihnen gegenüber den zuvor eingefallenen Persern echauffieren wollten.
Wir schifften am Nachmittag weiter Richtung Kom Ombo und gelangten zum Doppeltempel des Horus und des Sobeks. Neben der Verehrung dieser Götter wurde zur Zeit der Griechen auch allerhand medizinisches Wissen in diese Steine gemeißelt. Festzuhalten ist, dass die Ägypter schon Werkzeuge und Behandlungen kannten, die wir heute nahezu unverändert noch benutzen. Am Abend gab es noch das 24-jährige Jubiläum von Stephan zu feiern und obwohl ich nur etwas Dekoration bestellt hatte, kam die halbe Mannschaft mit Trommeln, Musik und Kuchen dahergelaufen und sorgte für amüsante, fremdschämende und wunderschöne Momente.
Tag 6
Über Nacht in Aswan angelangt, besuchten wir am Morgen eine Nilinsel, welche ein muslimischer Glaubensführer in den 50ern kaufte und dort als Hobby Bäume aus aller Welt pflanzte - so ist diese Insel mittlerweile als botanischer Garten von Aswan bekannt. Nach Zeit zur freien Verfügung fuhren wir zum Aswan-Staudamm. Ein riesiges Terraformingprojekt! Allein der dazugehörige Stausee brauchte 15 Jahre, um sich zu füllen. Der „See“ hält 167 Milliarden Kubikmeter Wasser und erstreckt sich 400km bis in den Sudan. Eine Ironie dieses Bauwerkes ist, dass es keine Krokodile oder Nilpferde mehr im Nil gibt, dafür haben sie nun im Stausee paradiesische Bedingungen gefunden und leben abseits der Touristen.
Sollte einmal der Damm brechen, würde er in elf Stunden das komplette fruchtbare Land Ägyptens mitnehmen und die Küsten Spaniens und Italiens verwüsten. Für den See mussten mehrere Monumente gerettet und hunderttausende Menschen umgesiedelt werden. So auch der Isistempel, welchen wir am späten Nachmittag mit untergehender Sonne besuchten. Zum Abschluss des Abends fand auf unserem Schiff noch eine Bauchtanzvorführung statt. Auf dieser war ich nun an der Reihe und musste in einem dazu genötigten Moment den Fremdschamtank wieder vollständig füllen.
Tag 7
Für diesen Tag stand einzig ein Basarbesuch um 17:30 Uhr auf dem Plan. Wir hatten also Zeit und nutzten diese, um den örtlichen Basar auf eigene Faust zu besuchen. Im Gegensatz zu den bisher eher störenden Straßenverkäufern herrschte hier ein ganz anderes Klima. Gerüche, Probieren und Getränke gehören hier zu den Gesprächen dazu und ergeben mit dem Handeln echtes orientalisches Lebensgefühl. Diese Eindrücke besserten die Sicht auf die Einheimischen deutlich. Stellt man sich etwas geschickt an, erzielt man auch sehr gute Preise. Bei überragenden Falafelpiden und einer echten Shisha ließen wir den Abend ausklingen, da wir am nächsten Morgen bereits um 04:00 Uhr Richtung Abu Simbel aufbrechen würden.
Tag 8
Mit Tee um 03:30 Uhr starteten wir in den Tag. Die Busfahrt in Richtung Abu Simbel verschliefen die Meisten. Pünktlich zum Sonnenaufgang legten wir eine Pause ein. Das aufkommende Sonnenlicht tauchte jede kleine Erhebung der Wüste in ein helles Rot, was stark an den vierten Star Wars Teil erinnerte.
Am Tempel angekommen, wurde einem vor Augen geführt, welch großer Baumeister und Stratege Ramses II war. Abu Simbel war zwar als Totentempel erbaut, diente aber eher der Abschreckung gegen die Nubier, welche aus dem heutigen Sudan öfters in den Süden Ägyptens einfielen. Als Beschreibung des Tempels, dürfte man nicht weniger als das Wort kolossal verwenden. Nicht zu vergessen bleibt allerdings auch der Tempel der Nefertari (“Die schönste der Schönen”). Diesen ließ Ramses aus Liebe zu seiner Frau erbauen. Damit ist der Tempel der einzige Ägyptens, welcher einer Königin gewidmet ist.
Von 1964-1968 wurde der Tempel aufgrund des Baus des Nasser-Stausees unter der Leitung von HochTief an seine heutige Position verbracht. Jeweils am 22.02. und 22.10. und damit einen Tag später als ursprünglich, scheint die Sonne beim Lichtwunder perfekt durch die große Säulenhalle in das Allerheiligste und erhellt drei der vier dort befindlichen Götterfiguren. Wir waren nur wenige Tage nach diesem Ereignis vor Ort und so war der Lichteinfall noch nahezu perfekt und lieferte ein beeindruckendes Bild dieses Effektes. Auf dem Rückweg zum Schiff ließen sich in den Ebenen der Wüste Hitzespiegelungen erblicken, welche als “Fata Morgana” bekannt sind und leicht für spiegelnde Wasseroberflächen gehalten werden können.
Tag 9
Auf der Rückfahrt sollte uns in Luxor noch einmal ein Highlight begegnen. Der Karnaktempel und der Luxor Tempel. An diesen Tempeln baute so ziemlich jeder Pharao des mittleren Reiches mit. Der große Säulensaal, erbaut unter Ramses II, nun wieder zu Großteilen restauriert, stellt eines der antiken Weltwunder dar. Auch die Überreste der Säulenhalle mit insgesamt 134 Säulen ergeben noch ein beeindruckendes Bild. Die mittleren Säulen der Halle sind höher als die seitlichen und ergaben eine Art Mittelgaube, so konnte schräg Licht einfallen, welches von einem ehemals versilberten Boden reflektiert wurde und die Halle in ein magisches Licht getaucht haben dürfte. Die schiere Größe und gut erhaltene Farbenpracht dieser Halle ist immer noch unfassbar. Selbst nach 3300 Jahren sind diese Farben gut erhalten. Im gleichen Tempel befinden sich auch die größten Obelisken der Welt, erbaut durch Pharaonin Hapschesut. Der Karnaktempel ist dem Hauptgott Amun und der Luxor Tempel seiner Frau Nut gewidmet. Vom Karnaktempel aus führt ein 2,5 km langer Prozessionsweg gesäumt von Sphinxen zum Luxor Tempel, mit diesem Weg wurde die jährliche Vereinigung der beiden Götter gefeiert. Erst wenige Wochen vor unserem Besuch war dieser Weg wiedereröffnet worden, nachdem man viele Jahre an seiner Ausgrabung gearbeitet hatte.
Im Tempel von Luxor errichteten die ersten Christen die älteste erhaltene Kirche der Welt. Auch die Araber bauten dort die älteste Moschee Ägyptens. An den Wänden des ehemals Heiligsten sind noch Überreste der ersten Malerei des letzten Abendmahls vorhanden. Der Kontrast der hier gesammelten Ursprünge dieser Weltreligionen erzeugt durchaus Wehmut.
Zum Abschluss der Reise führte uns eine spontan organisierte Kutschfahrt durch die Innenstadt Luxors. Am Ende dieser entledigten wir uns der letzten Banknoten auf dem dortigen Basar. Somit sahen wir drei Metropolen Ägyptens von allen ihren Seiten, von den modernen bis hin zu denen, welche der dritten Welt gleichen.
Abschließend sei gesagt, ich erfüllte mir mit der Reise einen riesengroßen Traum und lernte eine Hand voll neuer toller Menschen kennen, zu denen sicherlich auch noch weiter Kontakt bestehen wird. Allerdings sei auch gesagt, dass die Kultur des heutigen Ägyptens nur noch ein Funken dessen zu sein scheint, was es zu alten Zeiten gewesen sein musste. Aus diesem Grund haben die Denkmäler die Jahrtausende wohl auch so gut überstanden, da oftmals auch fremde Eroberer sich offensichtlich nicht trauten, die eindrucksvollen Schöpfungen zu zerstören. Meistens sind lediglich die Gesichter aus Aberglauben zerhackt worden, damit die Seelen der Götter und Könige nicht in den Bildnissen Fuß fassen können und die Menschen strafen. Leider ist Ägypten heute Abseits der Tourismusspots oftmals nicht mehr als ein Entwicklungsland.