Sizilien 2024
Im Dreieck um das Mittelmeer. Der Geschichte zweiter Teil.
Tag 1 Sizilien:
So wie der letzte Tag endete, begann auch der neue: Wir verabschiedeten uns ausgiebig von unserer Gastgeberin, die sich die ganzen Tage fürsorglich um uns gekümmert hatte, und drückte mir zum Abschied noch ein paar Tabletten in die Hand. Am Flughafen angekommen, erfuhren wir, dass unser Flug um drei Stunden verschoben war – ohne vorherige Benachrichtigung. Als wir endlich im Flugzeug saßen, kam ständig das Bodenpersonal herein und sprach mit dem Kapitän. Das ließ nichts Gutes erahnen, und so verzögerte sich der Start um eine weitere Stunde.
Nach der Landung in Palermo ließ der Shuttle zu unserem Mietwagen lange auf sich warten. In der Mietwagenfirma stellte sich für mich dann heraus, dass es einen Unterschied zwischen einer physischen und einer digitalen Kreditkarte gibt. Letztere hatte ich zwar dabei, aber die physische Karte hatte ich absichtlich zu Hause gelassen, um bei Verlust keine bösen Überraschungen zu erleben. Die Karte von FJ wurde ebenfalls nicht akzeptiert, da er nicht der Hauptmieter war. Dieser für mich neue Fauxpas führte schließlich dazu, dass wir den Mietwagen zu teureren Konditionen mit einer Debitkarte mieten mussten. Der positive Nebeneffekt: Diese Variante beinhaltete eine bessere Versicherung.
Eine halbe Stunde später, im Feierabendverkehr Palermos, erschien mir das Missgeschick nicht mehr ganz so schlimm, denn ich hatte ein neues Stresslevel erreicht: Autofahren auf Sizilien. Durch die Verzögerungen blieben uns schließlich nur noch die späten Abendstunden in Palermo. Doch der Tag endete versöhnlich: Wir aßen in einem nahegelegenen Lokal fangfrische, gegrillte Dorade, den Geruch des Meeres in der Nase, und konnten so den chaotischen Tag ein wenig hinter uns lassen.
Tag 2 Sizilien:
Italienisches Frühstück: Ein Café und etwas Süßgebäck – mehr gibt es in normalen Unterkünften in Italien am Morgen nicht. Heute, am 22.05., ist der Tag der Santa Rita. An diesem Tag tragen alle Gläubigen einen Strauß Rosen in die Kirchen und bringen den gesegneten Strauß anschließend nach Hause zu ihren Familien. So kam es, dass die Straßen der Innenstadt voller Menschen mit Rosen und Rosenhändlern waren.
Der Anblick der alten Gemäuer, der kleinen Gassen und der grünen Bergspitzen im Hintergrund vermittelt ein Gefühl von italienischer Leichtigkeit – etwas, das Rom gefehlt hat. Der Einfluss der Mauren verleiht der Insel zusätzlich Farbenpracht und Pep in Form von prächtigen Märkten und Sängern in den Straßen. Die sizilianische Küche ergänzt die des Festlandes um viele Gerichte und ist vor allem fischhaltiger; bei der Menge an Flossen rund um die Küsten ist das auch nicht verwunderlich. Ebenso positiv ist die Preisgestaltung: Ein Aperol kostet hier gerade mal ein Drittel so viel wie in Rom, und gerade deshalb wird Sizilien wohl der kulinarische Höhepunkt unserer Reise.
Am Teatro Massimo und seinem Vorplatz verweilten wir und schlenderten dann durch enge Gassen in Richtung der Kathedrale Maria Assunta. Von deren Dach hat man im Tal von Palermo den besten Blick auf die typischen grünen Ziegelkuppeldächer und die massiven Bergspitzen. Anschließend bummelten wir durch die Via Vittorio Emanuele, eine der meistfrequentierten Fußgänger- und Flaniermeilen Palermos. Hier ist für jeden Geschmack etwas dabei – süß, deftig, gegrillt, gebacken. Dies steigerte unsere Vorfreude auf die Geschmäcker der kommenden Tage. An der Terrazza a Mare und im Garten der Villa Giulia mit dem angrenzenden botanischen Garten ließen wir uns auf den Grünflächen nieder, um zu entspannen und einen Plan für die nächsten Tage zu schmieden. Das Highlight des Tages erwartete uns jedoch in einem leicht versteckten Geheimtipp Palermos: dem Restaurant Il Pipino Rosso. Hier erwartet uns ausgezeichnete Küche zu normalen Preisen – online wird es entsprechend hoch bewertet. Wir stießen tatsächlich zufällig darauf, denn die Erfahrung zeigt, dass man das beste Essen nicht in der ersten Reihe einer Hauptstraße findet. Ich genoss Linguine di sepia nera, die mit Tintenfisch und dessen Tinte serviert wurden, garniert mit rohen Garnelen, die in Zitronenöl mariniert waren. Danach waren nicht nur die Nudeln, sondern auch meine Zunge und Lippen schwarz. Ein Traumgericht, dazu ein gutes Gespräch – was will man mehr?
Tag 3 Sizilien:
Heute startete unser Roadtrip. Wir begannen den Tag mit einem Besuch des normannischen Lustschlosses, dem Castello della Zisa. Nach Jahrhunderten des Verfalls wird es nun aufwendig renoviert. Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich lediglich um einen paradiesischen Rückzugsort der normannischen Könige Siziliens. Diese ließen das Schloss von arabischen Architekten auf einer Quelle erbauen, und im Hauptsaal des Schlosses fließt ein einmarmorierter Wasserlauf. Die Decken und Wände der Räume waren ursprünglich farbenprächtig und mit Kunstschnitzereien und Bildhauereien verziert.
Nach diesem Besuch bewegten wir uns an der malerischen Küste entlang zur Nordwestspitze der Insel. Zu unserer Verpflegung hatten wir einen Leib Weißbrot, Tomaten, Mozzarella, Salami und Käse besorgt. Fix zubereitet, aßen wir dies zur Mittagsrast auf einer Klippe mit Blick auf Castellammare di Golfo. Herrlich!
Nach dem Küstenabschnitt folgte auf dem Weg nach San Vito lo Capo ein bergiger Abschnitt. Links und rechts der Berge entdeckten wir immer wieder weiße Wunden, denn hier befindet sich die Città di Marmo. Von hier stammt wohl ein Großteil des Marmors, den wir bisher in den zahlreichen Denkmälern, Kathedralen und Palästen gesehen hatten.
In San Vito lo Capo angekommen, hielt uns nichts mehr von einem Strandspaziergang durch die Bucht ab. In der Gischt der Bucht sammelte sich rosafarbener Muschelbruch und bot, ähnlich wie in Kreta, einen tollen Kontrast zum strahlend blauen Meer. Der Strand scheint bekannt für seinen konstanten Wind zu sein, denn dort sammelten sich zahlreiche Drachenflieger, die entweder im Wettbewerb synchron oder mit ihren kunstvollen Drachenfiguren flogen.
Den Tagesabschluss bildete ein erneutes Picknick am Meeresufer von Trapani in der untergehenden Sonne.
Tag 4 Sizilien:
Wir starteten den Tag mit den Catacombe di Cappuccini, einem der zwölf „most haunted places“ der Erde. In dieser Gruft des Kapuzinerordens fühlte es sich an wie in einem wahren Zombiefilm, was sicherlich Liebhaber solcher Orte anzieht. Auch wenn es ein Privileg wäre, in dieser Katakombe bestattet zu werden, so ist es doch weit entfernt von Ästhetik, denn die Körper der Toten hängen sprichwörtlich an den Wänden. Man sieht die vollständig skelettierten Körper, teils mit getrockneten Hautresten oder Haaren, dort hängen. Die Sterbedaten der Toten reichen ungefähr von 1599 bis 1930. Fotografieren ist verboten, und ich hatte auch nicht den Drang dazu.
Von dieser alten Stätte ging es zu den nächsten historischen Orten. Unser Ziel war eine Zwischenübernachtung im Süden der Insel, auf unserem Weg Richtung Catania. Der Weg führte uns durch das Herz der Insel nach Agrigento im Süden. Dort finden sich noch zahlreiche Überreste der 2500 Jahre alten griechischen Besiedlung. Zur Mittagspause machten wir einen Stopp in dem bergig gelegenen San Giuseppe Jato. In einer unscheinbaren Pasticceria erwartete uns das bisher beste, größte und günstigste Gelato sowie Gebäck unserer Reise. Beim Anblick der umliegenden Getreidefelder im Tal war das einfach ein Traum.
Wir fuhren zu unserer herrlich gelegenen B&B-Unterkunft, Villa di Giardini in San Leone, die mit ihren Gastgebern und der Lage die beste Unterkunft auf Sizilien werden würde. In den Abendstunden erreichten wir die Ausgrabungsstätte von Agrigento und ließen die Überreste der einst prächtigen und farbenfrohen Tempelanlagen auf uns wirken. Unter anderem befand sich hier einer der drei größten Tempel der griechisch-römischen Götter. Die Kolossalstatuen, die einst den Giebel schmückten, ließen daran keinen Zweifel. Eine Flasche Wein und das Prasseln des nächtlichen Regens rundeten den ausgezeichneten Tag unter der Veranda unserer Unterkunft ab.
Tag 5 Sizilien:
Unsere Gastgeber, ein älteres Ehepaar, bereiteten uns und den anderen Gästen ein fürstliches Frühstück mit regionalen und selbst hergestellten Produkten. Auf Nachfrage zeigten sie uns auch deren Herstellung in der Küche. Das selbst hergestellte Olivenöl, das keinen bitteren Geschmack hatte, musste unbedingt als Mitbringsel eingepackt werden.
Gestärkt machten wir uns auf den Weg in die altertümliche Stadt, die zur zukünftigen „Città di Cultura 2025“ ernannt wurde, bevor wir uns an der Südküste weiter Richtung Catania schlängelten. Es war mittlerweile zur Gewohnheit geworden, dass wir mittags in einem Café einkehrten und etwas Süßes aus der Pasticceria genossen. Meistens wählten wir eine Sorte Cannoli und eine Sorte Biskuit. FJ hatte sogar Café Americano und Espresso liebgewonnen, denn Cappuccino trinkt man gewöhnlich nicht mehr nach 12:00 Uhr.
Nachdem wir eine Weile an der Küste unterwegs waren, verspürten wir das Bedürfnis, uns im leuchtend blauen Wasser zu erfrischen. Bei Desusino bog ich bei der nächsten Straße, die geradlinig aufs Meer führte, nach rechts ab. Die Straße endete nach gefühlten drei Häusern in einer kleinen Asphaltfläche, auf der zwei Camper und drei Fahrzeuge standen. Am linken Ende führte ein Trampelpfad direkt zum Wasser. Mit unserem Strandrucksack liefen wir bis zu einem gestrandeten Boot, wo wir unsere Sachen ablegten. Zuvor hielten wir natürlich an diesem malerischen Ort an, um ein Bild zu machen, und danach genossen wir ein erfrischendes Bad in den Wellen.
Über die Berge von Caltagirone erreichten wir gegen 20:00 Uhr Catania. Sofort musste ich einen Vergleich ziehen: Catania ist das Frankfurt am Main von Sizilien – ein alter Kern, schnell gewachsen, jung, Handelszentrum und offensichtlicher Sozialbrennpunkt. Unsere Unterkunft befand sich mitten in der Innenstadt, was den Zugang zur Fußgängerzone erleichterte, aber die Suche nach einer Auslademöglichkeit und einem Parkplatz schwierig machte. Letztendlich gelang es uns sogar, kostenfrei zu parken. Kurz darauf stand einem köstlichen Pasta-Gericht mit Meeresfrüchten an einem der Seitenplätze Catanias nichts mehr im Wege. Ich bekam sogar eine extra Portion Muscheln aufs Haus, da ich eine kleine Reklamation vornahm und einen Fehler in der Speisekarte entdeckte.
Tag 6 auf Sizilien:
Wer sich in Catania befindet, kann dem großen Vulkan im Hintergrund der Stadt nicht entgehen. Der Ätna, einer der größten und aktivsten Vulkane Europas, zeigt sich morgens oft wolkenverhangen. An seiner Spitze, auf 3.357 Metern, lag sogar jetzt im Mai noch Schnee. Da er sich direkt vom Meeresniveau erhebt, erschien er mir fast so beeindruckend wie der Fuji.
Wir schlängelten uns auf den Passstraßen des italienischen Riesen hinauf, und bereits bei etwa zwei Dritteln des Weges fiel die Temperatur von 26 °C auf 13 °C. Bis zu den Crateri Silvestri sind Straßen, Parkplätze und der Zugang kostenlos. Erst danach muss man für jeden Schritt zahlen; beispielsweise kostet die Gondel zur Spitze 78 € pro Person. Nach ein paar Metern zu Fuß und einigen Fotos rollte unser Fahrzeug auch schon wieder bergab, denn das Ziel war Messina.
Auf dem Weg dorthin verstand ich, warum man singen könnte: „Will ein Haus für meine Mama, an der Küste von Catania…“ oder, wie die Italiener schreiben: Katania. Die Sinnhaftigkeit der unterschiedlichen Schreibweisen muss man mir mal erklären. Zuvor hatte ich, bis auf den Anblick des Ätna, nicht viel für Catania übrig.
In Messina angekommen, bewunderten wir die Kathedrale und den Turm mit dem berühmten Glockenspiel. Die Stadt schien für ihre Krippendarstellungen ebenso berühmt zu sein. Die Kirche war ebenfalls von den Normannen erbaut worden und verfügte über eine kunstvoll geschnitzte Holzdecke, ähnlich wie in Agrigento. Der Anblick dieser beiden Kirchen ließ die Pracht des Lustschlosses in Palermo erst so richtig vorstellbar werden.
Auf dem Rückweg nach Palermo suchten wir in einem kleinen Bergdorf am Hang des Ätna nach einem Lokal für unser Abschlussessen und stolperten über das bisher stilvollste Restaurant unserer Reise. Dieses hatte sich auf hochwertige Fleischstücke und Wein spezialisiert und bot ein reichhaltiges Angebot an typisch sizilianischem Pferde- und Eselfleisch. Das musste natürlich mit einem guten Wein probiert werden.
Tag 7 Sizilien:
Auf Sizilien ankommen und die Insel verlassen scheinen mit Schwierigkeiten gekoppelt zu sein. So stellten wir heute Morgen um 10:00 Uhr verdutzt fest, dass in der Straße, in der wir unser Fahrzeug geparkt hatten, nun ein Markt stattfand. Am Vorabend war darauf kein Hinweis erkennbar. Wir hatten uns gefreut, wie am Vortag, dass wir nicht unweit der Unterkunft einen Parkplatz gefunden hatten. Doch es kam, wie es kommen musste: Das Fahrzeug war weg. Zum Glück war das Abschleppunternehmen nur 10 Minuten Fußweg entfernt – schweißtreibende und steile 10 Minuten, aber immerhin.
Auf der Rückfahrt nach Palermo machten wir auch wieder ein paar Minuten wett, sodass wir mit einer Stunde Verspätung den Fiat abgeben konnten. Nach einer Woche Roadtrip mit 1.000 km Strecke kann ich einen abschließenden Satz zum Autofahren auf Sizilien sagen: Es gibt Vorfahrtsstraßen und Ampeln, alles andere, insbesondere Geschwindigkeitsbegrenzungen, dienen lediglich dekorativen Zwecken. Gemäß dem Motto: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“
Angekommen in Barcelona stellten wir fest, dass Flughafen und Metro top modern sind, was den Einstieg in die Stadt angenehm erleichtert. Man beachte den gelungenen Wortwitz! Hui... Am Arc de Triomf angekommen, befand sich unser neomodernes Hotel in nur 5 Minuten Laufweite. Nicht nur das Hotel, sondern auch die Stadt wirkte in den ersten Metern super modern, sauber und penibel historisch modernisiert. Ich bin mir sicher, dass sich dies entsprechend auf die Preise auswirkt, aber das werden wir sehen.
Zuerst einmal reklamierte FJ unser Hotelzimmer, da es für den stolzen Preis zum Abschluss dieser Reise doch etwas dreckig war. Wir bekamen dafür die Suite für die restlichen Tage und Freigetränke – unfassbar! Anschließend aßen wir in einer kleinen Tapas-Bar um die Ecke die ersten Genüsse Barcelonas.